Die Frage „Wer wohnt schon in Düsseldorf?“ wurde durch Herbert Grönemeyer legitimiert. Warum man dort einen Fußgängerüberweg fotografieren muss, weiß die „11 Freunde“. Im Oktober 1998 musste der Zebrastreifen für das Titelbild des Düsseldorfer Fanzines „Come Back“ herhalten. Marek Lesniak, Daniel Addo, Kristian Zedi und Klaus Allofs überquerten die Straße wie einst die Beatles die Abbey-Road für das Cover des gleichnamigen Albums. Die Abbey-Road Düsseldorfs ist demnach die Rochusstraße und diese ist einer der „99 Orte, die Fußballfans gesehen haben müssen“. Da die Rochusstraße außer einer katholischen Kirche wenig zu bieten hat, könnte die Geschichte an dieser Stelle schon ein Ende haben. Hat sie aber nicht. Dafür hat das „Come Back“ im Allgemeinen und die Fanzine-Kultur im Speziellen zu viel zu erzählen. Ein historischer Abriss.
Das 1930 veröffentlichte „Comet“-Magazin gilt nach Informationen des Goethe-Instituts als das älteste Fanzine der Welt. Es kam aus dem Science Fiction-Genre, die meisten frühen Fanzines wurden dort oder in den Bereichen Fantasy, Horror oder Comic veröffentlicht. Mit dem Aufkommen der Rockmusik in den Sechziger- und der Punkbewegung in den Siebzigerjahren etablierten sich Fanzines in der Musikszene und gehörten fest zur Jugendkultur.
Premiere am Millerntor
Es ist daher wenig verwunderlich, dass das (vermeintlich) erste Fußball-Fanzine einen engen Bezug zur Punkrock-Szene hatte und – wen überrascht es? – in den Fankreisen des FC St. Pauli erschien. „Viele von uns kamen aus der Punkszene“, erzählte Kiezklub-Anhänger Sven Brux 2010 der 11 Freunde und ergänzte: „Es erschien uns also nur logisch, auch ein solches Heft zu machen. Dass wir damit in der deutschen Fanszene Vorreiter sein würden, war uns damals nicht bewusst.“
Ganz unstrittig ist diese Aussage nicht, denn allein bei der Frankfurter Eintracht gab es mit „Nied aktuell“, „G-Block“ oder dem „Bockenheimer Bembel“ bereits in den frühen Achtzigerjahren Publikationen von Fans für Fans, das Gladbacher Fanzine „Nordkurve“ wurde erstmals im Jahr 1986 veröffentlicht. „Dennoch muss man sagen, dass die deutsche Fanzine-Szene, so wie sie in ihrer Blütezeit in den Neunzigerjahren die Stimmung in den Kurven dokumentierte, auf St. Pauli begann“, weiß das Buch Wer erfand den Übersteiger?.
Redaktionssitzungen fanden also in Privatwohnungen statt und endeten in der Regel spätabends in der Kneipe.
»Der Spiegel« über den Alltag in Fanzine-Redaktionen
Der am 29. Juli 1989 erstmals veröffentlichte „Millerntor Roar“ gilt demnach hierzulande als „Mutter aller Fanzines“ (Stadionwelt). Bis zum April 1993 wurden 28 Ausgaben publiziert, ehe sich die Redaktion trennte und in die Nachfolgeblätter „Unhaltbar“ und „Der Übersteiger“ oder – wie Brux es nennt – „in Fundis und Realos“ aufspaltete. Nicht nur auf St. Pauli erlebte die Fanzine-Kultur in den Neunzigerjahren ihre Hochphase. Hefte, „selbstgebastelt mit Prittstift und Schere, die Auflage von eigener Hand kopiert“ (detektor fm). In Köln gab es den „Hennes“, bei 1860 den „Löwenzahn“, in Offenbach den „Erwin“ oder eben in Düsseldorf das „Come Back“. „Eine Fanzine-Gründerwelle schwappte über Deutschland“, schrieb Volker Goll 2004 in der Stadionwelt und charakterisierte die Publikationen als „schicke kleine, gewitzte große und allgemein sehr geistreiche Fanmagazine“. Darin lag auch der Unterschied zu den Heften vor dieser Zeit, die überwiegend im rechten Bereich angesiedelt waren und häufig Gewalt und Saufen oder eben beides thematisierten.
Fanzines gab es in England bereits Mitte der Siebzigerjahre
Im Mutterland des Fußballs war man der deutschen Fanzine-Entwicklung weit voraus. Das im März 1986 veröffentlichte „When Saturday comes“ war zwar nicht das erste, aber mit einer Auflage von zwischenzeitlich 35 000 das einflussreichste Fanzine auf der Insel. „When Saturday comes“ orientierte sich (laut eigener Angaben im Editorial der ersten Ausgabe) an „Off the Ball“ aus Birmingham, noch älter ist der „City Gent“, der im November 1984 von Mike Harrison veröffentlicht wurde und damit das älteste noch herausgegebene Fanzine ist. Als das erste Fanzine der Fußball-Szene gilt die Publikation „FOUL“, die zwischen 1972 und 1976 von einer Gruppe von Studenten der Cambridge Universität erstellt wurde (und die man heute in dem Buch „Foul: Best of Football’s Alternative Paper, 1972-1976“ ansehen kann). Chris Lightbown, einer dieser Studenten, erklärte die Motive der Gruppe: „Weil der Fußball einfach keine der sozialen oder kulturellen Veränderungen der Sechzigerjahre in sich aufgenommen hatte. Er hing in einer totalen Zeitschleife fest.“
Die deutsche Fanzine-Kultur hatte mit verschiedenen Entwicklungen zu kämpfen. In Köln wurde der „Hennes“ vom Verein verboten, in München wollten die „Löwenzahn“-Macher den Umzug ins Olympiastadion nicht mitmachen. In den Nullerjahren folgte die Rezession: Redakteure wurden älter und schieden aus ihrem selbstverständlich ehrenamtlichen Engagement aus. Volker Goll, einer der Macher des Offenbacher „Erwins“, offenbarte 2006 in Die Zeit: „Wir werden alt und grau. Du willst einfach nicht ewig vor dem Stadion stehen und Fanzines verkaufen.“ In der Tat ging es da schon einfacher: Meinungen konnte man unkomplizierter in Internet-Blogs veröffentlichen, Webseiten ließen sich auch ohne große Fachkenntnisse erstellen.
Die Rückfahrt verlief recht unspektakulär, außer, dass Sippel und ich die schlafende Rückbank kurz mal eben mit drei Böllern aus dem Schlaf rissen.
Aus dem »Schlossturm«
Das „Come Back“ ging bereits 2002 in den Ruhestand und wurde 2005 unter neuem Namen noch mal reanimiert. Doch auch der „Schlossturm“ ist mittlerweile von der Bildfläche verschwunden – wie fast alle Fußball-Fanzines.
Anschrift: Rochusstraße, 40479 Düsseldorf
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