Es ist keine Reminiszenz an den Klassiker „Fever Pitch“, wenn ich von der Beziehung zwischen meinem Vater und mir erzähle. Dazu fehlen auch sämtliche Anhaltspunkte. In unserer Familie gab es keine Scheidung, wir hatten keinen Erstligisten vor der Haustür und wenn Nick Hornby nicht über den FC Arsenal, sondern über meinen 1. FC Köln hätte schreiben müssen, wäre eine Leidensethik angebrachter gewesen – und keine nette Geschichte übers Erwachsenwerden. Die größte Verbundenheit zwischen meinem Vater und mir lag aber schon immer im Sport. In meiner Kindheit waren das die Stadionbesuche, die vom Nachbarverein organisiert wurden. Dann ging es mit dem Bus meist nach Frankfurt, auch mal nach München oder zum Club nach Nürnberg. Einmal führte die Reise nach Kaiserslautern auf den Betzenberg.
Ich kann mich so gut an diese Fahrt erinnern, weil unser Bus kurz vor der Ankunft den Außenspiegel eines parkenden Autos abfuhr. Wir mussten daraufhin aussteigen und die letzten Meter zum Fritz-Walter-Stadion laufen. Ich muss die gängigen Datenbanken heranziehen, um mir den Spielverlauf an diesem Tag ins Gedächtnis zu rufen. Das Erklimmen des Betzenbergs habe ich dagegen noch genau vor Augen.
Das „Stade de Montsabert“
Seit gut 100 Jahren (das Stadion wurde am 13. Mai 1920 vor 3 500 Zuschauern eröffnet) ist der rund 285 Meter hohe Berg über der Stadt die Heimspielstätte der Kaiserslauterer Fußballer. Bis 1931 mauserte sich der einstige Sportplatz zu einem Stadion mit 18 000 Plätzen, das unmittelbar nach Ende des Zweiten Weltkriegs den Namen „Stade de Montsabert“ trug.
Von der großen Zeit des 1. FC Kaiserslautern in den Nachkriegsjahren mit zwei Deutschen Meisterschaften, drei Vizemeisterschaften und der südwestdeutschen Meisterschaft in Serie kann der Betzenberg dagegen nur bedingt erzählen. Die Endrunden um die Deutsche Meisterschaft trug man aus Kapazitätsgründen meist im Ludwigshafener Südweststadion aus, als man 1955 auf dem Betzenberg spielte, verkaufte man deutlich weniger Karten und kehrte zur Endrunde 1956 ins Südweststadion zurück.
Noch in den 1970er Jahren besaß eine Erbengemeinschaft aufgrund eines Kaufs aus dem Jahre 1898 ein 17 Meter breites und 34 Meter langes Geländestück hinter einem Tor. Publik wurde das, nachdem der 1. FCK einem der Erben die Ehrenkarte gestrichen hatte.
Zur Gründung der Bundesliga wurden die Tribünen erhöht und teilweise überdacht, im Dezember 1963 feierte die Flutlichtanlage Premiere. Trotz weiterer baulicher Maßnahmen in den folgenden Jahren blieb die (weitestgehend unbekannte) Last-Minute-Bewerbung zur WM 1974 erfolglos, wie Das große Buch der deutschen Fußballstadien erklärt. Vier Jahre später wurde im September 1978 die 6,8 Millionen DM teure Osttribüne fertiggestellt, im März 1994 die 51 Millionen DM teure Nordtribüne, der eine Reihe von Gerichtsprozessen, Bürgerinitiativen und Provinzpossen vorausging. Es ging um die Lebensqualität von Anwohnern, aber auch um die von Eulen und Fledermäusen. Im Mai 1996 stieg man nach 33 Jahren Ligazugehörigkeit erstmals aus der Bundesliga ab, konnte aber gleichzeitig den DFB-Pokal gewinnen (bis heute einmalig in der Geschichte des deutschen Fußballs). Nach dem epochalen Comeback mit der Deutschen Meisterschaft 1998 unter Otto Rehhagel erhielt die Südtribüne eine weitere Etage. Erhebliche Umbaumaßnahmen erlebte das Stadion im Zuge der WM 2006. Immer wieder wurde diese Phase von finanziellen und zeitlichen Schwierigkeiten überschattet. Unter anderem sorgte die Insolvenz des Bauherren Philipp Holzmann AG dafür, dass der Confederations Cup 2005 nicht wie geplant in Kaiserslautern stattfinden konnte.
Als der 1. FC Kaiserslautern 1996 den Gang in die 2. Bundesliga antreten musste, hatte man mit zehn Niederlagen sogar eine weniger als der Tabellenvierte Borussia Mönchengladbach. Zum Verhängnis wurde dem 1. FC Kaiserslautern die hohe Anzahl an Unentschieden: 18 Spiele endeten remis.
Das Sommermärchen gab nicht nur dem Stadion, sondern auch der Stadt einen ordentlichen Schub. Der Verein hinkt dieser Entwicklung allerdings hinterher. Als Johannes Strate 2011 die Schnulze „Es tut mir weh dich so zu sehen“ schrieb, muss er dabei an den 1. FC Kaiserslautern gedacht haben. Zehn Jahre nach der Weltmeisterschaft im eigenen Land geht es in der Pfalz um mögliche Insolvenzverschleppung und verschwundene Millionen. Im Mai 2018 steigt der FCK in die dritte Liga ab. Man kann den Eindruck gewinnen, dass in der Pfalz viel gemauschelt wurde und man jetzt die Quittung bekommt, die man jahrelang gefälscht hat.
Anschrift: Fritz-Walter-Straße 1, 67663 Kaiserslautern
Internet: https://fck.de/de/stadion/
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